Das klassische Fernsehen ist im Begriff sich für immer zu verändern.
Große Streaming-Dienste bieten ihren Kunden für wenige Euros im Monat tausende von Serien und Filmen an — und es ist egal wann, wo und wie viele Inhalte sie schauen möchten. Zudem zeigt die Eigenproduktion der erfolgreichen Serie „House of Cards“ von Netflix, dass auch die Produktion von TV-Inhalten sich verändert: Anstatt wie in den USA üblich mit einer Pilotfolge das Interesse des Publikums auszuloten, hat Netflix anhand einer Analyse von Nutzerdaten festgestellt, dass die Serie funktionieren wird und gleich die ganze Serie in Auftrag gegeben. Keiner der großen, traditionellen Wettbewerber war zu diesem Schritt bereit — oder in der Lage.
„Was sind Konzepte, mit denen Fernsehen in Zukunft noch erfolgreich sein kann?“
Dies war die Frage eines eintägigen „Design Thinking“-Seminars an der HSBA in Hamburg am 30. Januar 2016. 15 berufsbegleitende internationale Master-Studenten versuchten sich in der kurzen Zeit an dieser komplexen Fragestellung.
Eines der Teams hat die wachsenden Einflussmöglichkeiten der Fernsehzuschauer weitergedacht: Die Zuschauer sollen nicht nur volle Kontrolle über ihr Konsumverhalten erhalten, sondern durch ein Crowdfunding-Konzept auch bestimmen können, welche TV-Inhalte produziert werden. In einem stufenweisen Verfahren kann sich die „Crowd“ somit entscheiden, ob sie beispielsweise lieber eine Serie mit Drachen á la „Game of Thrones“ oder eine Krimiserie mit modernen Gangstern und Schurken sehen möchte. Damit nicht genug — denkbar ist weiterhin, dass der Verlauf der Handlung durch die Zuschauer beeinflusst werden kann: Was wäre zum Beispiel, wenn zahlungsbereite Zuschauer bestimmen könnten, ob ein Seriencharakter stirbt oder weiterlebt (ein Aspekt, der maßgeblich zur Faszination von „Game of Thrones“ beiträgt). So könnte nach jeder Staffel eine geheime Abstimmung stattfinden, welche die Grenzen zwischen Produzent und Konsument im Fernsehgeschäft verschwimmen lässt, ohne die Spannung zu verringern. Vorstellbar wäre auch, dass ausgewählte, zahlende Nutzer als Statisten mitwirken oder bestimmte Requisiten mitgestalten können. So gibt es bereits Beispiele von kleineren Filmprojekten, in denen ähnliche Ideen umgesetzt wurden. Eine subtile, aber direkte Mitwirkung würde die Bindung der Fangemeinde sicher zusätzlich stärken.
Neben der Crowdfunding-Idee gab es noch zwei weitere interessante Konzepte:
- ein Universalangebot für Expats: Menschen, die im Ausland leben sollen mit einem einzigen Anbieter globale TV-Inhalte genauso einfach konsumieren können wie lokale Inhalte ihres Heimatlandes oder ihrer Region (die Überwindung rechtlicher Hürden vorausgesetzt).
- eine nutzerzentrierte Plattform für Wissen und Lernen: Traditionelle Bildungs-TV-Inhalte werden mit Expertenbeiträgen und sozialen Medien kombiniert und für den Nutzer einfach und jederzeit konsumierbar.
Welche Konzepte genau am Ende erfolgreich sein werden, ist nicht abzusehen. Eines jedoch zeigte der Workshop mit seiner internationalen Besetzung ganz deutlich: Die traditionell passive Rolle der Fernsehzuschauer wird sich schon bald grundlegend gewandelt haben. Sofern man dann überhaupt noch von „Fernsehen“ und „Zuschauen“ sprechen kann.
Bilder © Axel Sommer 2016